Studienarbeit 165

Deformationsanalyse im Bereich der Friesenheimer Insel (Mannheim) basierend auf GPS-Beobachtungskampagnen

von Andreas Schmitt

Aufgabensteller: Prof. Dr.-Ing. Bernhard Heck
Betreuer: Dr.-Ing. Kurt Seitz, Dr.-Ing. Michael Mayer
Interne Bibliotheksnummer: 165

 

Jedes Jahr findet für die Studenten des sechsten Semesters ein GPS-Praktikum statt. Hierbei wird eine praxisnahe Aufgabenstellung ( GPS-Netzmessung) von den Studenten selbständig geplant, durchgeführt und ausgewertet.

Ziel dieser Studienarbeit war es basierend auf Daten erhoben im Rahmen von drei studentischen GPS-Praktikum-Messkampagnen mögliche Bewegungen der Friesenheimer Insel im Stadtgebiet von Mannheim nachzuweisen.

Die Friesenheimer Insel ist eingeschlossen von Neckar, Rhein, Altrhein und Industriehafen. Das Gelände wird größtenteils gewerblich genutzt. Neben Mülldeponie, Müllverbrennungsanlage, Kläranlagen und Tanklager stehen vor allem im südöstlichen Bereich um den Industriehafen viele Produktions- und Lagerhallen. Die einzigen größeren Freiflächen gliedern sich in Ackerland in der südlichen Hälfte der Insel und in Grünland entlang des Rheins. Fast die gesamte Insel ist mit Hochwasserschutzdämmen umgeben, siehe hierzu Abbildung 1.

 

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Abb.1: Auszug aus der Topographischen Karte 1:50000 des Landesvermessungsamts von Baden-Württemberg

 

Abb.2: Netzplot überlagert mit der Topographischen Übersichtskarte 1:200000 des Landesvermessungsamts von Baden-Württemberg

 

Das gemessene Netz (Abbildung 2) erstreckt sich über weite Teile der Stadtgebiete von Mannheim und Ludwigshafen und besteht aus vermarkten Punkten der Stadtvermessung Mannheim, die sich mehr oder weniger gut für GPS-Messungen eignen.

In den Jahren 2000, 2001 und 2005 wurden die drei Messkampagnen im statischen Messverfahren mit Trimble Empfängern 4000SSI mit Compact L1/L2 Grundplattenantennen sowie an einigen Punkten mit dem Instrumentarium Trimble 4800 durchgeführt, wobei stets zwei Punkte durchgehend besetzt waren, um sie später als Referenz für die Basislinienauswertung verwenden zu können.

Die Auswertung der aufgezeichneten GPS-Daten erfolgte mit dem Programm Trimble Geomatics Office (TGO). Das am Geodätischen Institut (GIK) entwickelte Programm TRISETRA wandelt die binären Ausgabedateien von TGO in ASCII-Dateien und fasst dabei die einzelnen Basislinienergebnisse zu Sessions zusammen. Das ebenfalls institutseigene Programm TRAVAR spaltet anschließend die dreidimensionalen kartesischen Koordinaten und ihre Varianzkovarianzmatrizen (VKM) in einen Lage- und einen Höhenanteil auf. Hierfür wird die Gauß-Krüger-Abbildung mit dem Mittelmeridian 9° verwendet.

Nachdem Sessions ausgewertet worden sind, wurden alle zu einer Beobachtungskampagne gehörenden Messungen zusammengefasst und ausgeglichen (Sessionzusammenschluss). Hier lassen sich grobe Fehler innerhalb einer Kampagne (z.B. Zentrierfehler, fehlerhafte Instrumentenhöhe) erkennen. Der Sessionzusammenschluss geschieht getrennt nach Lage und Höhe. Die Lagenetzausgleichung wurde auf Basis der Gauß-Krüger-Koordinaten, die von TRAVAR ausgegeben worden sind, berechnet. Die ausgeglichenen Koordinaten der ersten Kampagne wurden dabei jeweils als Näherungskoordinaten für alle Kampagnen herangezogen, um schon anhand der berechneten Verbesserungen Aussagen hinsichtlich Einzelpunktbewegungen treffen zu können.

Die 2D-Netzausgleichung erfolgte mit Hilfe des Programms NETZ2D. Es ist zudem in der Lage, eine Eingabedateivorlage sowie die dazugehörige VKM für die anschließende Deformationsanalyse zu erzeugen. Die mittleren Punktgenauigkeiten aller Kampagnen liegen im Bereich von etwa 2 mm. Die maximale Koordinatenänderung liegt jedoch bei knapp 1 cm, was die Messgenauigkeit deutlich übersteigt. Da es sich hierbei nur um durchschnittliche Werte handelt, wurde für gesicherte Aussagen jeder Punkt gesondert betrachtet.

Die freie Ausgleichung des Höhennetzes erfolgte mit Hilfe des GIK-Programms HEIDI in ellipsoidischen Höhen. Auch hier wurde deutlich, dass die maximale Abweichung oberhalb der Messgenauigkeit liegt. Der mittlere Punktfehler ist etwa doppelt so groß wie bei den Lagekoordinaten, was bei GPS-Messungen aufgrund geometrischer Restriktionen auch erwartet wird. Genauere Aussagen erfordern aber wiederum eine gezielte Betrachtung der einzelnen Punkte.

Die Deformationsanalyse wurde analog zum Sessionzusammenschluss nach Lage und Höhe getrennt durchgeführt. Angewendet wurde eine Defomationsanalyse mittels relativer Fehlerellipsen, die den verwendeten Programmen CODEKA2D und CODEKA1D zu Grunde liegt. Der Einfachheit halber werden im weiteren Verlauf die Punkte auf der Insel als Inselpunkte und die Punkte im Umland als Festlandpunkte bezeichnet. Für die koordinatenbezogene statische Deformationsanalyse des Lagenetzes in CODEKA2D wurden acht verschiedene Modelle entworfen, von denen hier lediglich eines näher beleuchtet werden soll.

Im Modell INSELPLUS wurden alle Inselpunkte als Objektpunkte angenommen, die Festlandpunkte hingegen als Stabilpunkte, auf die eine S-Transformation angewendet und deren Netz auf Kongruenz getestet wurde. Beim ersten Durchlauf von CODEKA2D stellte sich jedoch heraus, dass auch einige Festlandpunkte nicht stabil blieben. Zur besseren Veranschaulichung sind die Verschiebungsvektoren der Objektpunkte in Abbildung 3 lagerichtig jedoch überhöht dargestellt. Beim Vergleich 2000–2001 ist leicht zu erkennen, dass alle Objektpunkte, sei es oberhalb oder unterhalb der Signifikanzgrenze, eine Bewegung nach Nordosten ausführen. Von 2001 nach 2005 erfolgt hingegen eine Verschiebung nach Südwesten, außer bei den Punkten 4 und 12, bei denen eine Verschiebung in südöstlicher Richtung festzustellen war. Bei der abschließenden Untersuchung der Kampagnen 2000 und 2005 wurde ermittelt, dass fast alle Punkte eine Verschiebung nach Nordost erfahren, jedoch ist diese i.d.R. nicht signifikant. Punkt 12 weicht in der Richtung leicht nach Osten ab. Nur Punkt 15 führte eine signifikante entgegen gerichtete Bewegung nach Südwest aus.

Im Höhennetz wurde mit dem GIK-Programm CODEKA1D eine ebenfalls koordinatenbezogene Deformationsanalyse durchgeführt. Bei der Konzeption des Modells EINZELMIN wurden die Punkte 5 und 14 als Objektpunkte eingeführt, da sie eine signifikante Höhenänderung erfahren. Die übrigen Punkte wurden als Stabilpunkte im Rahmen der erreichten Genauigkeit anerkannt. Punkt 5 sinkt ab, im Vergleich 2000–2001 stärker als 2001–2005, aber erst im Vergleich 2000–2005 signifikant. Punkt 14 hat in der ersten Kampagne einen um etwa 2.2 cm niedrigeren Höhenwert als in den beiden folgenden Kampagnen. Offensichtlich handelte es sich hierbei jedoch nicht um formstabile Punktblöcke, die sich relativ zueinander verschieben, sondern ausschließlich um lokale Effekte der Punkte 5 und 14.

Abgesehen von wenigen Punkten (z.B. 12, 15), bei denen vermutlich lokale Effekte dominieren, ließ sich für die übrigen Objektpunkte eine deutliche horizontale Blockbewegung der Objektpunkte erkennen. Wurde jedoch versucht, die Verschiebung der Insel nach Nord-Ost (2000-2001) und zurück nach Süd-West (2001-2005) zu erklären, so erbrachte lediglich die Suche nach extrinsischen Einflüssen, denen die Insel als Ganzes unterliegt, sinnvolle Aussagen.

Ein Zusammenhang der Deformation mit einer Schwachform des vorliegenden Netzes, im übertragenen Sinn einer Schwingung der Punkte in der Ebene bedingt durch Messkonfiguration und Ausgleichungsansatz, kann ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund wurde die Lagekomponente der Insel genauer betrachtet. Im Süden und Westen der Insel fließen Rhein und Neckar, im Norden und Osten ist sie vom Industriehafen umschlossen. Der Hafen ist vom Neckar durch eine Schleuse abgetrennt, so dass der Wasserstand im Hafen nicht direkt von der Wasserführung des Neckars abhängt (Abbildung 4).

Nun liegt es nahe, den Wasserstand von Rhein und Neckar an den Messtagen näher zu betrachten. Dafür eignet sich am besten ein Pegel, der möglichst täglich abgelesen wird und sowohl die Wassermassen aus dem Rhein als auch aus dem Neckar berücksichtigt. Der erste derartige Pegel stromabwärts ist in Worms bei Rheinkilometer 443.4 zu finden, also etwa 15 km von der Friesenheimer Insel entfernt, die sich von Rheinkilometer 428 bis 431 erstreckt. Abbildung 5 zeigt den zeitlichen Verlauf des Wasserstands am Pegel Worms.

 

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Abb.3: Modell INSELPLUS – Verschiebungsvektoren der Objektpunkte

 

Abb.4: Die Friesenheimer Insel - wasserbauliche Situation

 

Abb.5: Rheinwasserstand nach Tagen

 

Während der Kampagne 2000 lag der Wasserstand bei etwa 2 m und fiel in den folgenden Tagen noch weiter ab. Kurz vor der Kampagne 2001 betrug der Wasserstand knapp 4.5 m und sank zum Messzeitpunkt nur langsam auf etwa 4 m ab. Bei Kampagne 2005 lagen hingegen wiederum ähnliche Verhältnisse wie im Jahr 2000 vor; der Wasserstand betrug gut 2 m. Jedoch stieg das Wasser kurz nach der Messung rasant auf knapp 4 m an. Was dies für die Deformation der Friesenheimer Insel bedeutet, wird in Abbildung 4 verdeutlicht: Das Wasser in Rhein und Neckar steigt an und drückt aus südwestlicher Richtung auf die aus Sedimenten bestehende Insel, die von der Seite des Hafens keinen Gegendruck erfährt, da der Wasserstand im Hafen künstlich konstant gehalten wird. Also wird die ganze Insel nach Nordost verschoben, was auch die Deformationsanalyse von 2000 nach 2001 belegt. Da aber während der Kampagne 2005 der Wasserstand wieder dem Niveau von 2000 entspricht, liegen auch die Punkte wieder auf ihrer alten Position und die Deformationsanalyse 2001–2005 belegt eine Bewegung in südwestlicher Richtung.

Anders als im Lagenetz weisen im Höhennetz nur zwei Punkte signifikante Bewegungen auf. Punkt 5 sinkt über die drei Kampagnen hinweg um etwa 1 cm ab. Dieses Verhalten lässt sich durch die Vermarkung und den Untergrund erklären, also ein ausschließlich lokaler Einfluss. Punkt 14 steigt von 2000 bis 2001 um 2.3 cm an und bleibt dann konstant. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit der Einfluss eines groben Messfehlers bei der Bestimmung der Antennenhöhe in der Kampagne 2000.

Aus den Ergebnissen bzw. aus den festgestellten Eigenschaften der einzelnen Messkampagnen wurden abschließend Empfehlungen für künftige Wiederholungsmessungen ausgesprochen.