Zum Potenzial von GNSS-Referenzstationen am Beispiel von PPP-Auswertungen des GNSS Upper Rhine Graben Network GURN.

  • Typ:Diplomarbeit
  • Datum:2010
  • Betreuung:

    Aufgabensteller:
    Prof. Dr.-Ing. B. Heck
    Betreuer:
    Dr.-Ing. Michael Mayer
    Dipl.-Ing. Andreas Knöpfler
    Dipl.-Ing. Xiaoguang Lou

  • Bearbeitung:Fuhrmann, T.
  • Zusatzfeld:

    IBNr: 915

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Globale Satellitennavigationssysteme (GNSS) wie beispielsweise GPS und Galileo wurden in erster Linie zur Positionsbestimmung entwickelt. Die von den Satelliten in ca. 20000 km Höhe abgestrahlten elektromagnetischen Wellen werden auf ihrem Weg vom Sender zum Empfänger auf der Erde durch die Erdatmosphäre beeinträchtigt. In dieser Arbeit wird eine Strategie vorgestellt, um aus der Wechselwirkung von GNSS-Signalen mit der Atmosphäre Rückschlüsse auf den atmosphärischen Wasserdampfgehalt zu ziehen. Wasserdampf ist hauptverantwortlich für den atmosphärischen Treibhauseffekt. Präzise Informationen über Verteilung sowie zeitliche und räumliche Änderung des atmosphärischen Wasserdampfs sind daher von großer Bedeutung für Meteorologie und Klimaforschung. Die Nutzung bestehender GNSS-Referenzstationen zur Wasserdampfbestimmung hat großes Potenzial, da im Gegensatz zu anderen, in der Regel meteorologischen, Verfahren mit geringem Kostenaufwand präzise Wasserdampfwerte in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung bestimmt werden können.

Globale Verteilung des atmosphärischen Wasserdampfs,

Abbildung 1: Globale Verteilung des atmosphärischen Wasserdampfs, Mittelwerte am 30.01.05 (abgeleitet aus einer satellitengetragenen Spektrometerbeobachtungen), Quelle:

modis-atmos.gsfc.nasa.gov

modis-atmos.gsfc.nasa.gov

Grundsätzlich lassen sich die Einflüsse der Atmosphäre auf GNSS-Signale in ionosphärische und neutrosphärische Einflüsse unterteilen. Ionosphärische Einflüsse können unter der Annahme der Dispersion der Ionosphäre durch Mehrfrequenzmessung weitgehend eliminiert werden. Die Effekte in der erdnahen Schicht der Atmosphäre, der Neutrosphäre, sind hauptsächlich durch das Wetter beeinflusst und müssen explizit innerhalb der GNSS-Auswertung berücksichtigt werden. Neutrosphärische Effekte lassen sich hierzu in eine trockene und eine feuchte Komponente unterteilen, die innerhalb der GNSS-Auswertung zweiteilig modelliert werden. Die trockene Komponente bewirkt ca. 90% der neutrosphärischen Laufzeitverzögerung und ist aus an der Erdoberfläche erfassten meteorologischen Parametern gut modellierbar. Die feuchte Komponente lässt sich direkt in den atmosphärischen Wasserdampf überführen und ist zeitlich und räumlich variabler als die trockene Komponente. Sie wird in der GNSS-Ausgleichung als Parameter bestimmt. Weitere azimutal-anisotrope Anteile des Wasserdampfs, die nicht durch die zweiteilige Neutrosphärenmodellierung der GNSS-Auswertung berücksichtigt werden können, verbleiben in den Verbesserungen der Ausgleichung, den Phasenresiduen.

Modellierte und geschätzte neutrosphärische Laufzeitverzögerung an der Referenzstation Tübingen

Abbildung 2: Modellierte und geschätzte neutrosphärische Laufzeitverzögerung an der Referenzstation Tübingen (DOY 276-285, 2008)

Im Hauptteil dieser Arbeit wird untersucht, wie aus den Parametern der Neutrosphärenmodellierung und den Phasenresiduen zeitlich und räumlich hochaufgelöste integrierte Wasserdampfwerte bestimmt werden können. Dazu werden GPS-Beobachtungen der Stationen des GNSS Upper Rhine Graben Network (GURN) mit der Strategie Precise Point Positioning (PPP) ausgewertet. Im Gegensatz zu einer differenziellen Auswertung mit Basislinien zwischen den Stationen geschieht die Auswertung bei PPP unter Verwendung von Produkten für Satellitenbahn- und Satellitenuhrdaten getrennt für jede Station. Die Ergebnisse einer hinsichtlich Neutrosphärenmodellierung und Residuenberechnung optimierten PPP-Auswertestrategie werden anschließend mit den Ergebnissen differenzieller Auswertungen und mit den Ergebnissen verschiedener PPP-Online-Dienste validiert. Da sich in den Phasenresiduen auch Restanteile anderer limitierender Effekte der GNSS-Modellbildung niederschlagen, werden die Residuen in den folgenden Untersuchungen durch einen neu entwickelten Ansatz (räumliches Stacking) gefiltert.

3D-Ansicht für das räumliche Stacking von Residuen unter Verwendung von kongruenten Stacking-Zellen

Räumliche Darstellung der Residuen eines Tages an der Refernzstation Sélestat

Abbildung 3: 3D-Ansicht für das räumliche Stacking von Residuen unter Verwendung von kongruenten Stacking-Zellen an der Referenzstation Frette (DOY 276–283, 2008)

Abbildung 4: Räumliche Darstellung der Residuen eines Tages an der Refernzstation Sélestat (DOY 278, 2008), links: orignäre Residuen, rechts: Residuen nach der Filterung durch räumliches Stacking

Weitere, die Qualität und die Interpretierbarkeit erhöhende, Analysen untersuchen den Einfluss einzelner Parameter sowie die erzielbare Genauigkeit der Wasserdampfbestimmung. Haupteinflussfaktor ist hier der geschätzte feuchte Anteil der neutrosphärischen Laufzeitverzögerung in Zenitrichtung. Ein wesentlicher Schritt zur Verbesserung der Qualität der Wasserdampfwerte liegt in der Verwendung von zeitlich und räumlich hochaufgelösten meteorologischen Oberflächendaten. Die Verwendung von Phasenresiduen zur Berechnung von Wasserdampfwerten führt zu einer Erhöhung der zeitlichen Auflösung und zu einer qualitativen Verbesserung der Wasserdampfwerte, da auch azimutal-anisotrope Anteile berücksichtigt werden können. Ein vorgeschobenes Filtern der Residuen durch den entwickelten Stackingansatz ist dazu unbedingt notwendig.

Integrierte Wasserdampfwerte (Integrated Precipitable Water Vapour)

Abbildung 5: Integrierte Wasserdampfwerte (Integrated Precipitable Water Vapour) an der Referenzstation Sélestat für alle sichtbaren Satelliten (Ausschnitt am DOY 278, 2008), links: ohne Residuen, rechts: unter Verwendung von gestackten Residuen